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AutorenbildVinachia Burke

Psychologie-Schreibtipps Part 5: Die richtige Perspektive richtig nutzen - Teil 1

Um die verschiedenen Erzählperspektiven im Roman ranken sich teilweise mystisch anmutende Vorurteile. Warum einige von ihnen schlichtweg falsch sind, erkläre ich in den kommenden Artikeln.


Ich will an dieser Stelle das allgemein bekannte Wissen möglichst nicht wiederholen, sondern explizit auf den psychologischen Einfluss der Erzählperspektiven eingehen. Nichtsdestotrotz sollen zumindest ein paar Grundlagen wiederholt werden, damit alle Leser auf einem Wissensstand sind.


Welche Erzählperspektiven gibt es?


Im Allgemeinen werden drei große Erzählarten unterschieden:


1. Der Ich-Erzähler (die erste Person)

Beispiel: „Mein Name ist Joe. Ich bin Angestellter in der …“


2. Der Er/Sie - Erzähler (die dritte Person)

Beispiel: „Joe ist Angestellter in der Zuckerbäckermanufaktur von Süßgaumenhausen.“


3. Der allwissende (auktoriale) Erzähler

Beispiel: „Joe ist Angestellter in der Zuckerbäckermanufaktur von Süßgaumenhausen. Heute hat er verschlafen und ist unaufmerksamer als gewöhnlich. Das Gleiche gilt für seine Kollegin Judy, die trotz dreier Tassen Kaffee seit einer halben Stunde um jeden Satz in ihrer Email an den Chef kämpfen muss.“


Im Unterschied zum Er/Sie-Erzähler ist der auktoriale Erzähler nicht an einen Charakter gebunden, sondern kann zwischen allen handelnden Personen wechseln.


Welche psychologische Wirkung hat die gewählte Erzählperspektive?


Es gibt drei psychologische Größen des Lesers, die durch die Erzählperspektive fundamental beeinflusst werden können:


1.) Immersion (fachsprachlich für „Eintauchen“) beschreibt den Effekt, durch den das

Bewusstsein des Lesers durch die Lektüre eines Textes so weit in den Hintergrund tritt, dass die vorgestellten Inhalte für den Moment des Lesens als „real“ empfunden werden.

2.) Sympathie, hier: Grad der positiven Zuwendung und Neugier gegenüber den

handelnden Charakteren.

3.) Empathie, hier: Grad des Einfühlens und Mitfühlens mit den handelnden Charakteren.


Vorteile und Nachteile des Ich-Erzählers

Zu den Vorteilen der Ich-Erzählperspektive zählt ein Gefühl von Authentizität. Lesen wir einen guten Ich-Erzähler, so fühlen wir uns, als erführen wir die geschilderten Ereignisse aus erster Hand.


Aber Vorsicht: Authentizität bedeutet NICHT Sympathie oder gar Empathie.


Authentizität bedeutet kurz gesagt: Der Leser ist bereit, einem Ich-Erzähler mehr abzukaufen als einem Erzähler aus der dritten Person. Was also geschrieben steht, nimmt der Leser relativ unkritisch erst einmal „für bare Münze“.


Daraus folgt, dass der Ich-Erzähler auch bei der Immersion punkten kann. Ein gut geschriebener Ich-Erzähler lässt den Leser nicht so leicht vom Haken und oft ist das Buch schneller vorbei, als einem lieb gewesen wäre.


Doch nun wird es kritisch.


Keine andere Perspektive leidet schwerer unter einem schlechten Schreibstil als der Ich-Erzähler. Immer wieder höre und lese ich, dass die erste Person die einfachste Schreibperspektive sein soll. Das kann ich so nicht unterschreiben. Denn wie oben schon geschrieben, steht und fällt die Ich-Perspektive mit ihrer Authentizität.


Zwei große Fehler, die Autoren in der ersten Person typischerweise begehen:


1.) Der Erzähler ist der Autor (zu große Nähe)

2.) Der Erzähler besitzt keinerlei Charakter/Gedanken (zu große Distanz)


Eine weitere große Herausforderung der Ich-Perspektive ist, dass - so kontraintuitiv das klingen mag - der Charakter des Erzählers nach Beenden des Buches von Lesern kaum erinnert werden kann.


Warum? Wenn die Ich-Perspektive gut geschrieben ist, identifiziert sich der Leser mit dem „ich“ und ignoriert automatisch die eigentlichen Besonderheiten des Charakters.


Die letzte Schwierigkeit ergibt sich daraus: Immersion, Sympathie und Empathie sind bei fiktionalen Texten in der ersten Person nur verlässlich möglich, wenn der handelnde Charakter „everybodys darling“ ist.


Was ist damit gemeint?


Der Charakter MUSS in seinen Werten und Normen grob dem aktuellen Lesergeschmack entsprechen. Denn: In keiner anderen Erzählperspektive reagiert der Leser heftiger mit Abwehr, wenn der Erzähler nicht dem eigenen Selbstverständnis (zumindest grob) entspricht. Das Wort „ich“ wird in solchen Fällen unbewusst reflexartig vom Gehirn des Lesers abgewehrt, weil das eigentliche „Ich“ des Lesers weiß, dass die beschriebenen Gedanken oder Handlungen nicht seinem Charakter entsprechen.


Das zwingt uns Autoren zu einem - böse formuliert - „halbgaren“ Charakter, der der aktuellen Lesergewohnheit entspricht.


Ein Hinweis: Mir ist bewusst, dass die Ich-Perspektive durchaus als ein eindrückliches Stilmittel zur Beschreibung der Täter in Thrillern verwendet werden kann. Hier würde wohl niemand annehmen, dass sich der Leser damit besonders identifizieren könnte. Mein Fokus in diesem Artikel liegt jedoch auf dem Genre Fantasy und auf der Beschreibung des Charakters, der hauptsächlich durch die Handlung führt. Da besteht ein großer Unterschied in der Leserwahrnehmung.


Soviel zum Ich-Erzähler, in ein paar Wochen geht es dann weiter mit den anderen beiden Perspektiven.


Alles Flauschige und viel Glitzer,


Vinachia 💖

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